Wie du aufhörst, es allen recht zu machen – und beginnst, deine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen

Kennst du das?

Du sagst „Ja“, obwohl du eigentlich „Nein“ meinst. Du übernimmst Aufgaben, obwohl du längst erschöpft bist. Du kümmerst dich um andere, aber wenn du selbst etwas brauchst, fällt es dir schwer, danach zu fragen.

Vielleicht denkst du, dass du so sein musst, um geliebt und geschätzt zu werden. Doch tief in dir macht sich immer mehr Erschöpfung breit – und manchmal auch Wut. Warum fällt es dir so schwer, deine Bedürfnisse ernst zu nehmen?

Lass uns gemeinsam einen Blick darauf werfen, warum du immer wieder in diese Muster fällst – und wie du Schritt für Schritt lernen kannst, dich selbst nicht länger hintenanzustellen.

Lisa – Die Frau, die immer für alle da ist. 

Lisa ist 37 Jahre alt, arbeitet in einem anspruchsvollen Job und kümmert sich nebenbei um ihre Familie. Sie ist diejenige, die einspringt, wenn jemand Hilfe braucht. Ihre Kollegen schätzen sie für ihre Verlässlichkeit, ihre Familie für ihr großes Herz. Doch Lisa selbst fühlt sich oft ausgebrannt.

Neulich rief ihre Freundin an und bat sie, beim Umzug zu helfen. Lisa hatte eigentlich ein freies Wochenende geplant, um endlich mal durchzuatmen. Doch anstatt ehrlich zu sagen, dass sie Zeit für sich braucht, hörte sie sich selbst sagen: „Klar, ich helfe dir gern!“

Am Abend lag sie erschöpft im Bett und fragte sich: Warum kann ich nicht einfach Nein sagen? Warum fühle ich mich schuldig, wenn ich an mich denke?

Vielleicht erkennst du dich in Lisas Geschichte wieder. Doch warum handeln wir so – und wie können wir es verändern?

Warum wir es allen recht machen und es so schwer ist, Nein zu sagen

Hinter diesem Muster steckt oft eine tiefe Angst vor Ablehnung. Als Kinder lernen wir, was wir tun müssen, um geliebt und akzeptiert zu werden. Vielleicht hast du früh erfahren:

„Ich bin nur wertvoll, wenn ich für andere da bin.“
„Meine Bedürfnisse spielen keine Rolle.“
„Wenn ich Nein sage, werde ich abgelehnt.“

Es ist wichtig zu lernen, dass diese unbewussten Überzeugungen uns bis ins Erwachsenenalter prägen und zu einem Burnout führen können, wenn wir unsere eigenen Bedürfnisse ignorieren. Wir haben Angst, dass uns niemand mehr mag, wenn wir auf uns selbst achten. Deshalb sagen wir Ja – selbst wenn es uns schadet.

Doch die Wahrheit ist: Du bist auch dann liebenswert, wenn du Grenzen setzt.

Wie du nein sagen lernen kannst und es gar nicht allen recht machen musst

Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass deine Bedürfnisse genauso wichtig sind wie die der anderen. Hier sind ein paar Ansätze, die dir helfen können:

1. Werde dir deiner eigenen Bedürfnisse bewusst

Oft sagen wir Ja, weil wir gar nicht genau spüren, was wir selbst eigentlich brauchen. Nimm dir im Alltag kurze Momente, um dich zu fragen:

  • „Was brauche ich gerade wirklich?“

  • „Möchte ich das tun – oder sage ich Ja, weil ich mich verpflichtet fühle?“

  • "Tut mein Perfektionismus mir gerade gut - oder muss immer alles perfekt sein, damit ich gerade keine unangenehmen Gefühle spüren muss?”

Allein diese Bewusstheit kann schon einen Unterschied machen.

2. Spüre in dich hinein, bevor du antwortest

Wenn dich jemand um etwas bittet, atme kurz durch, halte inne, bevor du antwortest und frage dich:

„Macht es mir Freude oder kostet es mich Kraft?“
„Würde ich von mir selbst verlangen, das zu tun, wenn ich meine beste Freundin wäre?“

Gib dir die Erlaubnis, nicht sofort zu antworten. Ein einfaches „Ich überlege es mir und sage dir später Bescheid“ kann dir den Raum geben, deine Entscheidung in Ruhe zu überdenken.

3. Setze sanfte Grenzen 

Erwartungen anderer Menschen nicht zu erfüllen, heißt nicht egoistisch zu sein. Die eigenen Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen bedeutet, dass du dich selbst respektierst. Statt eines harten „Nein“ kannst du es sanfter formulieren:

💬 „Ich würde dir gern helfen, aber ich brauche dieses Wochenende für mich.“
💬 „Gerade passt es für mich nicht, aber vielleicht ein anderes Mal.“
💬 „Ich verstehe, dass dir das wichtig ist, aber ich schaffe es leider nicht“, ist eine wertvolle Formulierung, um deine Grenzen zu setzen.

4. Beobachte, wie sich dein Körper anfühlt

Wenn du zustimmst, obwohl du Nein meinst, wirst du oft Anspannung spüren – vielleicht ein Kloß im Hals oder ein Ziehen in der Brust. Wenn du Nein sagst, wirst du vielleicht zuerst Schuldgefühle haben – aber auch eine leise Erleichterung.

Diese Erleichterung ist ein Zeichen, dass du richtig gehandelt hast.

5. Übe, dich selbst so wichtig zu nehmen wie andere

Stell dir vor, eine Freundin würde dich um Rat bitten, weil sie sich immer überfordert. Was würdest du ihr sagen?

Wärst du liebevoll zu ihr? Dann sei auch liebevoll zu dir.

Zeige dir selbst gegenüber Zuneigung und Wertschätzung.

6. Verstehe die inneren Anteile, die dich steuern

Oft gibt es in uns verschiedene innere Stimmen, die in Konflikt miteinander stehen. Ein Teil von dir möchte Nein sagen, weil du müde bist. Ein anderer Teil fürchtet Ablehnung, wenn du nicht hilfst. Vielleicht gibt es auch eine innere Stimme, die dir sagt, dass du nur wertvoll bist, wenn du für andere da bist.

Diese Anteile sind nicht „falsch“ – sie sind entstanden, um dich zu schützen. Vielleicht hast du als Kind gelernt, dass du geliebt wirst, wenn du dich anpasst. Vielleicht hast du erlebt, dass deine eigenen Bedürfnisse nicht zählen.

Was hilft?
✨ Erkenne deine inneren Anteile bewusst – und höre ihnen zu.
✨ Frage dich: Wer in mir hat gerade Angst, Nein zu sagen?
✨ Bedanke dich bei diesem Anteil für seinen Schutz – und versichere ihm, dass du jetzt erwachsen bist und neue Wege gehen darfst, auch um deine Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.

Wenn du lernst, liebevoll und wertschätzend deinen inneren Anteilen zu begegnen, wird es leichter, alte Muster loszulassen – und dich selbst mit mehr Mitgefühl zu sehen.

Wie innere Anteile entstehen und welche Aufgabe sie übernehmen, habe ich in einem Blogartikel ausführlich beschrieben. Lies gern hier mehr darüber!

Was sich verändert, wenn du beginnst, deine Bedürfnisse ernst zu nehmen 

Lisa hat langsam angefangen, bewusst wahrzunehmen, wann sie automatisch „Ja“ sagen will. Sie hat geübt, sich Bedenkzeit zu nehmen, und immer häufiger Nein gesagt, wenn sie spürte, dass sie ihre Ruhe braucht.

Das Erstaunliche:
Die Menschen in ihrem Umfeld haben ganz anders reagiert, als sie dachte. Ihre Freundin war keineswegs verletzt, als Lisa den Umzugshelfer absagte. Ihr Kollege respektierte, dass sie nicht jedes Mal als Erste einspringt.

Und das Wichtigste:
Lisa begann, sich selbst mit mehr Mitgefühl zu sehen. Sie fühlte sich weniger erschöpft, freier und selbstbewusster.

Fazit:
Angst vor Ablehnung führt dazu, dass du es allen recht machen willst, weil du die negativen Folgen fürchtest - und es hängt oft mit einem geringen Selbstwertgefühl zusammen.

Es gibt aber Wege, dein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis oder die Angst hinter dir zu lassen.

Du musst dich nicht aufopfern, um geliebt zu werden.
Du darfst deine eigenen Bedürfnisse ernst nehmen.
Und du darfst anfangen, dich selbst genauso gut zu behandeln wie die Menschen, die dir wichtig sind.

Möchtest du Unterstützung auf deinem Weg?

Ich begleite dich gern dabei, alte Muster zu erkennen, deine Grenzen liebevoll zu setzen und dich selbst mit mehr Mitgefühl zu sehen. 

Lass uns gemeinsam herausfinden, was du brauchst, um dich frei und authentisch zu fühlen.

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“Ich möchte dir keine Umstände machen!”

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