
Bindungstrauma und Entwicklungstrauma verstehen - Tiefe Wunden sanft heilen.
Dies ist ein sehr umfassender Artikel mit einer längeren Lesedauer. Wenn Du lieber eine kürzere Version, die inhaltlich alles Wesentliche zusammenfasst lesen möchtest, dann lies hier meinen Blogartikel “Bindungstrauma - Wie muss ich mich verhalten, dass du mich magst.”
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Bindung überhaupt?
Wie entsteht ein Bindungstrauma?
2.1 Ein Beispiel: Sarahs KindheitWie wirkt sich Bindungstrauma auf das spätere Leben aus?
Gibt es einen Unterschied zwischen Bindungstrauma und Entwicklungstrauma?
Was sind die Merkmale von Entwicklungstraumata?
Wie kann man Entwicklungstrauma und Bindungstrauma heilen?
Therapeutische Ansätze zur Heilung
Wie kann Co-Regulation helfen?
Nicht nur Beruhigung, sondern auch ein Weg um sichere Bindung zu erfahren.Was ist eigentlich Regulation?
Was ist Co-Regulation?
Über die Selbstregulation
Strategien zur Stärkung des Selbstwertgefühls
Bindungstrauma heilen - Warum sich der Weg der Traumaheilung lohnt
Einleitung
Wir sind von Natur aus soziale Wesen. In unserem Innersten streben wir danach, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und diese Verbindungen zu pflegen oder wiederherzustellen.
Bindung und Gemeinschaft sind entscheidend für unser Überleben. Es liegt in unserer Biologie, dass wir einander brauchen. Besonders in den ersten Lebensjahren sind wir ohne Unterstützung nicht überlebensfähig. Diese natürliche Abhängigkeit ist nichts Negatives, sondern ein Teil unseres Daseins.
Gleichzeitig macht uns diese Abhängigkeit verletzlich. Wir sind auf unsere Bezugspersonen angewiesen, die uns Halt und Sicherheit bieten müssen, damit wir uns emotional geborgen fühlen können. Körperliche Zuwendung und Versorgung sind ebenfalls notwendig, damit wir wachsen und gedeihen können.
Wenn unsere Bezugspersonen jedoch nicht in der Lage sind, uns die nötige Geborgenheit zu geben, kann dies zu traumatischen Erfahrungen führen.
Denn, wenn uns diese Lebenswichtigen Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllt werden, bringt uns das in Situationen größter Not und wecken Ängste vor dem Alleinsein oder Verlassenwerden
– letztlich fürchten wir um unser Leben.
#1 Was bedeutet Bindung überhaupt?
In zwischenmenschlichen Beziehungen ist eine gesunde Verbindung meist entspannt und locker. Wenn Herausforderungen oder Stress auftreten, zeigt sich die Stärke dieser Verbindung, die auch in schwierigen Zeiten bestehen bleibt.
Eine geschaffene emotionale Verbindung bleibt beständig, wirkt über Grenzen hinweg und wird zu einer bedeutsamen Ressource in unserem Leben.
Bindung ist für uns Menschen von grundlegender Bedeutung. Sie unterstützt nicht nur unser körperliches Überleben, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle für unsere emotionale Stabilität und persönliche Entwicklung.
Als soziale Wesen sind wir darauf angewiesen, Beziehungen einzugehen und zu pflegen. Diese Verbundenheit ist tief in unserer Natur verwurzelt – sie bildet einen zentralen Bestandteil unseres biologischen Überlebenssystems.
Bereits während der Schwangerschaft entsteht eine starke emotionale Verbindung zwischen Mutter und Kind. Dieser Prozess wird durch die Ausschüttung von Hormonen während der Geburt verstärkt, was die Verbindung zwischen Mutter und Kind weiter vertieft.
Diese Verbindung ist nicht nur emotional wichtig, sondern sichert auch das Überleben des Neugeborenen, das auf Schutz und Fürsorge angewiesen ist.
Babys kommen in einem Zustand völliger Hilflosigkeit zur Welt. Ihr Überleben hängt vollständig von der Fürsorge ihrer Bezugspersonen ab. Unsere Biologie ist darauf ausgelegt, Bindungen einzugehen, um diese Abhängigkeit zu bewältigen.
Die Fähigkeit zur Bindung ist ein grundlegender Instinkt, der tief in unserem genetischen Erbe verankert ist. Sie ist der Schlüssel dafür, dass wir als Spezies überleben und uns weiterentwickeln können.
Das Bedürfnis nach Verbindung ist also weit mehr als nur ein emotionales Konzept –sie prägt unser Leben von Anfang an.
Diese Fähigkeit, starke Verbindungen aufzubauen, bildet das Fundament für unsere Sicherheit, unser Wachstum und unser Wohlbefinden.
#2 Wie entsteht ein Bindungstrauma?
Ein Bindungstrauma kann entstehen, wenn die emotionalen Bedürfnisse eines Kindes in den entscheidenden frühen Lebensjahren nicht erfüllt werden. Diese Phase, insbesondere in den ersten drei Lebensjahren, ist von enormer Bedeutung für die Entwicklung sicherer Bindungen. Solche Bindungen sind das Fundament für unser emotionales und psychisches Wohlbefinden im späteren Leben und helfen uns, potenziellen Herausforderungen zu begegnen und zu meistern.
In den ersten Lebensjahren sind wir als Kinder vollkommen auf unsere primären Bezugspersonen angewiesen – meist sind das unsere Eltern oder enge Familienmitglieder. Diese Menschen sind entscheidend, um ein gesundes Bindungssystem aufzubauen. Um Entwicklungs- und Bindungstraumata zu vermeiden, ist es wichtig, dass sie uns Sicherheit, Trost und Schutz bieten. Sie sorgen nicht nur für unsere körperlichen Bedürfnisse, sondern vermitteln uns auch emotionale Geborgenheit.
In dieser sensiblen Zeit ist es entscheidend, dass unsere folgenden Grundbedürfnisse erfüllt werden:
Schutz und Sicherheit:
Wir brauchen das Gefühl, dass jemand da ist, der empathisch auf uns eingeht, uns beschützt und uns Halt gibt.Verlässlichkeit:
Regelmäßige und vorhersehbare Zuwendung und Pflege sind für uns essenziell.Liebe und tiefe Zuneigung:
Diese sind entscheidend für die Regulierung unseres Nervensystems als Säugling. Physische Nähe und emotionale Wärme zeigen uns, dass wir wertvoll und geliebt sind. Ein Blick kann mehr ausdrücken als Worte – ein warmes, tröstendes oder aufmunterndes Lächeln berührt tief und vermittelt eine tiefe Verbindung und echtes Vertrauen. Eine feinfühlige Berührung vermittelt Wohlbefinden und Sicherheit. Man kann sagen, Feinfühligkeit ist der Schlüssel zu einer sicheren Bindung!Verständnis und Akzeptanz:
Es ist wichtig, dass wir so angenommen werden, wie wir sind – ohne Bedingungen.
Wenn diese grundlegenden Bindungserfahrungen erfüllt werden, können wir seelisches Trauma vermeiden.
Eine Bindungsverletzung tritt auf, wenn diese grundlegenden emotionalen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Dies kann durch mangelnde Zuwendung, unsichere Lebensumstände oder das Fehlen einer beständigen und fürsorglichen Bezugsperson entstehen. Die Auswirkungen können tiefgreifend und traumatisch sein.
2. 1 Ein Beispiel:
Sarahs frühe Kindheit
Stell dir ein kleines Mädchen vor, das den Namen Sarah trägt. In ihrer frühen Kindheit musste sie schmerzhafte Erfahrungen machen, die sie tief geprägt haben. Ihre Mutter kämpft mit einer Depression und ist emotional oft nicht erreichbar. Ihr Vater ist häufig auf Geschäftsreisen und somit selten zu Hause. In dieser Zeit ist Sarah oft allein oder in der Gesellschaft von Babysittern, die sich nur oberflächlich um sie kümmern.
Mangelnde emotionale Präsenz
Die emotionale Abwesenheit ihrer Mutter hinterlässt bei Sarah eine tiefe Leere. Wenn sie weint oder ängstlich ist, erhält sie oft nur flüchtige Reaktionen oder das beruhigende, aber leere „Alles ist gut“. Diese fehlende Nähe vermittelt Sarah unbewusst das Gefühl, dass ihre eigenen Gefühle unwichtig sind und dass sie ihren Schmerz allein tragen muss.
Fehlende Sicherheit
In einer Welt, in der ihr Vater oft abwesend ist und ihre Mutter emotional nicht verfügbar, hat Sarah keinen stabilen Anker. Die wechselnden Bezugspersonen können ihre Bedürfnisse nicht wirklich verstehen, was ihr ein Gefühl von Unsicherheit vermittelt. Sie lernt, dass die Welt unberechenbar ist, was es ihr schwer macht, Vertrauen zu fassen – sowohl in andere Menschen als auch in sich selbst. Diese Erfahrungen können später im Leben zu Herausforderungen in Beziehungen führen.
Mangel an Liebe und Zuneigung
Sarah sehnt sich nach liebevollen Umarmungen und tröstenden Worten. Doch da sie diese Zuneigung nur selten erfährt, beginnt sie an ihrem eigenen Wert zu zweifeln. Sie fühlt sich ungeliebt und entwickelt das Gefühl, nicht liebenswert zu sein. Diese tiefe Unsicherheit begleitet sie durch ihre Kindheit und beeinflusst ihr Selbstbild sowie ihre Beziehungen im Erwachsenenleben.
Konsequenzen für das Erwachsenenleben
Mit einer Bindungsverletzung aufwachsend, wird Sarahs Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und -akzeptanz beeinträchtigt. Im Erwachsenenalter fällt es ihr schwer, enge und vertrauensvolle Beziehungen einzugehen. Die Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden führt dazu, dass sie sich emotional zurückzieht oder versucht, es anderen recht zu machen. Oft bleibt ein Gefühl des „Nicht gut genug Seins“ zurück.
#3 Wie wirkt sich Bindungstrauma auf das spätere Leben aus?
Es zeigt sich auf vielfältige Weise und kann verschiedene emotionale sowie psychologische Symptome hervorrufen.
Niedriges Selbstwertgefühl
Menschen fühlen sich oft unzulänglich und kämpfen, um ihr emotionales Gleichgewicht zu halten. Sie zweifeln ständig an ihrem Wert und haben Schwierigkeiten, positive Rückmeldungen anzunehmen.Angst vor Nähe und Intimität
Betroffene haben oft Schwierigkeiten, enge Beziehungen aufzubauen, was auf einen ungesunden Bindungsstil zurückzuführen sein kann, der sich aus frühkindlichen Erfahrungen entwickelt hat. Sie fürchten weitere Verletzungen und halten emotionalen Abstand, oft aufgrund von zurückgewiesenem Vertrauen in früheren Beziehungen.Übermäßige Anpassung
Um Ablehnung zu vermeiden, neigen sie dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken und sich übermäßig anzupassen.Emotionale Taubheit
Viele erleben eine emotionale Taubheit oder Leere und haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle zu erkennen.Misstrauen und Eifersucht
Diese Ängste können als Reaktionen auf traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit entstehen und führen oft zu Spannungen in der Partnerschaft.Beziehungsprobleme
Betroffene kämpfen oft mit instabilen Beziehungen, die oft aus unverarbeiteten Traumata entstehen.Berufliche Herausforderungen
Betroffene neigen dazu, sich ständig behaupten zu müssen, weil sie denken, nicht gut genug zu sein. Oft machen sie mehr als andere, was zu einer körperlichen und psychischen Erschöpfung führen kann.Psychische Gesundheit
Sie ist eng mit der Fähigkeit verbunden, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Es kann zu psychischen Erkrankungen führen, wie Depressionen oder Angststörungen.
#4 Gibt es einen Unterschied zwischen Bindungstrauma und Entwicklungstrauma?
Ein Bindungstrauma entsteht meistens in den frühesten Lebensjahren, wenn die Beziehung zu unseren primären Bezugspersonen unsicher ist, was zu einer Bindungsstörung führen kann. Die Auswirkungen sind tiefgreifend: Bindungstrauma wirkt sich auf das Gefühl von Sicherheit und die Fähigkeit, gesunde Beziehungen im späteren Leben einzugehen aus.
Im Gegensatz dazu bezieht sich Entwicklungstrauma auf die Herausforderungen, die während wichtiger Phasen der kindlichen Entwicklung auftreten. Hierbei kann es sich um traumatische Erlebnisse handeln, die zwar nicht unbedingt mit der Bindung zu Bezugspersonen verbunden sind, jedoch das emotionale und soziale Wachstum des Kindes empfindlich stören können.
Bindungstrauma ist oft ein Teilaspekt eines Entwicklungstraumas. Wenn ein Kind in einem Umfeld aufwächst, in dem es sowohl emotionale Vernachlässigung als auch andere stressvolle Bedingungen erfährt, können sich die beiden Formen überlagern. Bindungstrauma betrifft primär die Beziehungsebene, während Entwicklungstrauma die gesamte persönliche Entwicklung beeinflusst.
#5 Was sind die Merkmale von Entwicklungstraumata?
Entwicklungstrauma umfasst ein breiteres Spektrum von traumatischen Erfahrungen, die die gesamte Entwicklung des Kindes betreffen. Es entsteht, wenn ein Kind über längere Zeit in einem unsicheren, unvorhersehbaren oder stressvollen Umfeld aufwächst. Dabei sind nicht nur die Bindungsbeziehungen betroffen, sondern auch die grundlegende körperliche, emotionale und soziale Entwicklung. Wichtige Entwicklungsschritte, wie z. Bsp. die Entwicklung der Autonomie und Abgrenzung, werden hierbei gestoppt und nicht erlernt.
Ursachen eines Entwicklungstraumas:
Wiederkehrendes emotionales und körperliches Leid
Stetiges Fehlen von Zuwendung (emotional oder körperlich)
Leben in einem von Angst und Unsicherheit geprägten Umfeld (z. B. finanzielle Not, Suchterkrankung unserer Eltern, emotionale und körperliche Gewalt im Haushalt können zu Bindungsstörungen und Entwicklungsstörungen führen).
Fehlen stabiler Strukturen, in denen das Kind lernen und sich entwickeln kann
Folgen eines Entwicklungstraumas:
Ein Entwicklungstrauma beeinflusst tiefgreifend die körperlichen Prozesse und die persönliche Entwicklung.Typische Folgen sind:
Chronische Übererregung oder Erstarrung des Nervensystems
Schwierigkeiten, eigene Emotionen zu regulieren
Lern- und Konzentrationsprobleme
Geringes Selbstwertgefühl und Unsicherheit in sozialen Situationen
Körperliche Symptome, wie chronische Schmerzen oder Erkrankungen
Im Kern führt ein Entwicklungstrauma zu tiefgreifenden Auswirkungen auf die emotionale, soziale und geistige Reifung.
#6 Wie kann man Entwicklungstrauma und Bindungstrauma heilen?
Die Heilung eines Bindungstraumas ist ein tiefgehender Prozess, der sich lohnt, weil er zu emotionaler Freiheit führen kann, wenn man achtsam vorgeht.
Traumasensible Traumatherapie oder traumasensible Begleitung
Scheue dich nicht, Unterstützung anzunehmen. In einer traumasensiblen Therapie oder Begleitung hast du die wertvolle Möglichkeit Ko-Regulation zu erfahren. Diese hilft deinem Nervensystem, sich zu stabilisieren und ermöglicht dir, korrigierende Bindungserfahrungen zu machen. Darüber hinaus kannst du durch gezielte Interventionen, die speziell auf Bindungs- und Entwicklungstrauma ausgerichtet sind, tief verwurzelte innere Verletzungen auf den Weg zur Heilung bringen.Selbstmitgefühl entwickeln
Erlaube dir, dich selbst mit liebevollen, mitfühlenden und verständnisvollen Augen zu betrachten. Sei freundlich mit dir. Wenn du aus erlernten Überlebensstrategien heraus handelst, die dir als Kind geholfen haben dein Überleben zu sichern, bestrafe dich nicht mit Schuldgefühlen. Alles, was du denkst, tust oder wie du handelst, hat seinen guten Grund.Achtsamkeit
Achtsamkeit im Leben etablieren, hilft dir im Hier und Jetzt zu bleiben.Gesunde Beziehungen aufbauen
Für Menschen, die Bindungs- und Entwicklungstrauma erfahren haben, ist es besonders herausfordernd, gesunde Beziehungen aufzubauen. Suche nach Beziehungen basierend auf Vertrauen und Respekt.Sich selbst neu entdecken und lernen, wie man sich selbst wieder in Balance bringt
Nutze und Etabliere Übungen zur Selbstregulierung in Deinem Leben. Die Fähigkeit zur Selbstregulation fördert Deine Selbstwirksamkeit. Finde Dinge, die Dir Freude machen und etabliere sie in Deinem Leben. Gebe Deinem Leben Sinnhaftigkeit.
#7 Therapeutische Ansätze zur Heilung
Die Heilung ist ein komplexer Prozess, der Zeit, Geduld und möglichst Unterstützung erfordert. Verschiedene therapeutische Ansätze haben sich als hilfreich erwiesen, um Betroffenen zu helfen, die Folgen eines Bindungs- oder Entwickltraumas zu verarbeiten und neue, gesunde Beziehungsmuster zu entwickeln. Hier ist eine Übersicht über bewährte Ansätze:
Traumatherapie
Bindungstrauma wird oft als tief verwurzelte Verletzung im Körper gespeichert. Traumatherapeutische Ansätze arbeiten direkt mit diesen Wunden.
Somatic Experiencing (SE)
Entwickelt von Peter Levine, hilft SE, traumatische Erfahrungen durch die Arbeit mit dem Körper zu lösen.
Ziel: Die körperliche Übererregung, die durch das Trauma entstanden ist, schrittweise abzubauen.
Dies erweist sich als besonders nützlich, da es hilft, Sicherheit im Körper wiederherzustellen.
Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
Effektiv zur Verarbeitung belastender Erinnerungen.
EMDR kann dabei helfen, festgefahrene Muster aus der Kindheit zu bearbeiten, indem traumatische Erlebnisse neu "verdrahtet" werden.
Bindungsorientierte Psychotherapie oder traumsensible Begleitung
Bindungsbasierte Therapien oder traumasensible Begleitungen konzentrieren sich darauf, sichere Beziehungen und Vertrauen neu zu lernen.
Hier steht die Beziehung zwischen Klient und Begleiter im Mittelpunkt.
Ziel: Durch die sichere therapeutische Beziehung lernen, wie sich gesunde Bindung anfühlt und wie man sie in anderen Lebensbereichen aufbauen kann, um Entwicklungs- und Bindungstrauma zu überwinden.
Körperorientierte Ansätze
Da Trauma im Körper gespeichert ist, helfen körperbasierte Ansätze, die dysregulierten Körperzustände wieder in Balance zu bringen.
Polyvagal-Theorie
Basierend auf der Arbeit von Stephen Porges, hilft dieser Ansatz, das autonome Nervensystem zu regulieren.
Ziel: Sicherheit, bzw. ein Gefühl von „Ich bin sicher genug“ wieder herzustellen
Innere-Kind-Arbeit und Ego-State-Therapie
Arbeitet mit den verletzten Anteilen aus der Kindheit, die noch heute aktiv sind. Verletzte Anteile werden gesehen, versorgt und so in unser System integriert.
Ziel: Heilung und Integration von früh entstandenen Verletzungen.
Ressourcenorientierte Ansätze
Trauma kann überwältigend sein. Ressourcenorientierte Ansätze konzentrieren sich darauf, Stärken und Bewältigungsstrategien zu fördern und somit unser Stresstoleranzfenster zu weiten. Je größer das Stresstoleranzfenster ist, desto besser können wir stressige Herausforderungen meistern, ohne uns zu überfordern.
Statt direkt in die Vergangenheit zu gehen, werden zuerst innere und äußere Ressourcen gestärkt.
Ziel: Stabilität und Sicherheit im Hier und Jetzt aufbauen.
Trauma kann das Empfinden von positiven Emotionen beeinträchtigen. Das bewusste Verankern kleiner, positiver Erlebnisse fördert unsere innere Balance, welche wir benötigen um Trauma zu verarbeiten.
#8 Wie kann Co-Regulation helfen?
Nicht nur Beruhigung, sondern auch ein Weg um sichere Bindung zu erfahren.
Die Fähigkeit, durch die Verbindung mit einem anderen Menschen emotionale Balance zu finden – spielt eine zentrale Rolle in der Heilung und kann auch Dein Bindungssystem positiv beeinflussen.
#9 Was ist eigentlich Regulation?
Regulation bedeutet allgemein, dass verschiedene Prozesse zusammenarbeiten, um ein System im Gleichgewicht zu halten. Bezogen auf unser Nervensystem sorgt Regulation dafür, dass unser Körper wichtige Funktionen steuert und unser Überleben sichert – dazu gehören auch unsere Emotionen.
Wenn Babys auf die Welt kommen, können sie sich noch nicht selbst beruhigen. Besonders bei der Emotionsregulation brauchen sie Unterstützung von Erwachsenen, die selbst möglichst ausgeglichen sind. Dadurch lernt das Nervensystem des Babys, wie es sich nach Stress oder Aufregung wieder beruhigen kann. Mit der Zeit bilden sich dadurch wichtige Verbindungen im Gehirn, die es dem Kind ermöglichen, sich später auch selbst zu beruhigen.
Je mehr Co-Regulation ein Kind erlebt, desto besser entwickelt sich seine Fähigkeit zur Selbstregulation. Sind die entsprechenden Nervenbahnen gut ausgebildet, kann das Kind sich mit der Zeit immer besser selbst aus stressigen oder emotional aufgeladenen Zuständen herausführen. Besonders kleine Kinder brauchen dafür aber noch viel Unterstützung.
Regulation ist also der natürliche Prozess, der uns hilft, nach Stress, Wut oder Aufregung wieder in einen Zustand der Ruhe und Sicherheit zu kommen. Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, dass „gut reguliert sein“ bedeutet, niemals gestresst, wütend oder traurig zu sein. Vielmehr geht es darum, flexibel zwischen verschiedenen Gefühlszuständen wechseln zu können.
#10 Was ist Co-Regulation?
Sie beschreibt den Prozess, bei dem wir durch die Präsenz, Beruhigung und Unterstützung eines anderen Menschen selbst zur Balance zurück finden. Es ist eine Form der gegenseitigen emotionalen Unterstützung, die unser ganzes System beruhigt und Sicherheit vermittelt.
Die Bedeutung bei Bindungstrauma
Menschen mit Bindungsverletzungen haben oft erlebt, dass ihre Bedürfnisse nach Nähe, Schutz und emotionaler Unterstützung nicht erfüllt wurden. Das führt dazu, dass sie Schwierigkeiten haben, sich selbst zu beruhigen und Sicherheit in Beziehungen zu finden. Hier kommt gemeinsame Regulation ins Spiel:
Erleben von Sicherheit
Sie bietet einen sicheren Rahmen, in dem unser Körper lernen kann, sich zu entspannen. Das geschieht durch nonverbale Signale wie eine ruhige Stimme, sanfte Berührungen oder einfühlsame Blicke. Diese Signale geben dem Gehirn die Botschaft: Du bist sicher.Heilung von Beziehungswunden
Bindungsverletzungen entstehen in Beziehungen – und kann auch in Beziehungen geheilt werden. Durch eine einfühlsame, präsente Verbindung zu einem anderen Menschen können alte Wunden berührt und langsam transformiert werden.Neues Lernen für unser Gehirn
Dysregulierte Nervenbahnen, die ständig in Alarmbereitschaft sind (Kampf-/Fluchtmodus) oder erstarrt (Freeze-Modus), können durch wiederholte gemeinsame Regulation lernen, in einen ausgeglichenen Zustand zurückzukehren.
Wie funktioniert sie in der Praxis?
In therapeutischen Beziehungen
Eine gute traumasensible Begleitung, traumasensible Therapeutin oder Therapeut bietet durch Einfühlsamkeit, Wohlwollen, Wertschätzung und Präsenz einen sicheren Raum. Das Nervensystem des Klienten kann sich an dem balancierten Zustand der Begleitung „anlehnen“ und stabilisieren.
Besonders bindungsbasierte Ansätze, wie die bindungsorientierte Begleitung, helfen ein Gefühl der Sicherheit in Beziehungen zu erfahren.
In persönlichen Beziehungen
Einfühlsame Partner, Freunde oder Familienmitglieder können durch Zuhören, anerkennen von Gefühlen und ihre Präsenz, Regulation bieten. Wichtig ist hier ein ruhiges, wertfreies Miteinander.
Durch unterstützende Gruppen
Selbsthilfegruppen schaffen ein Gefühl von Gemeinschaft und Getragenwerden, das Regulation ermöglicht. Der Austausch mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann Sicherheit und Verständnis bieten.
Gemeinsame Regulation ist zwar kein Ersatz für Selbstregulation, aber ein kraftvoller Einstieg in die Heilung. Indem Du Dich mit Menschen verbindest, die Dir Sicherheit geben, kannst Du neue Wege der Regulation und des Vertrauens erlernen. Es ist nie zu spät, das zu erfahren, was Du vielleicht in der Kindheit vermisst hast: emotionale Nähe, Sicherheit und das Gefühl, wirklich gesehen und gehalten zu werden.
Von einer Person, die ausgeglichen ist, selbst in Balance zu finden, ist auch der Schlüssel zur Entwicklung Deiner Fähigkeit, Dich eigenständig zu beruhigen und in stressigen Situationen stabil zu bleiben. Indem Du gemeinsame Regulation erlebst, stärkst Du die Verbindungen in Deinem Körper, die es Dir ermöglichen, Dich mit der Zeit selbst zu regulieren.
Ein Beispiel
Stell Dir vor, jemand fühlt sich nach einem Streit mit seinem Partner völlig überwältigt. Anstatt sich zurückzuziehen, wendet sich diese Person an eine vertraute Freundin. Die Freundin hört zu, bleibt ruhig und sagt vielleicht: „Ich bin hier für dich. Du bist nicht allein.“
Durch diese Worte, ihren Tonfall und ihre beruhigende Präsenz hilft die Freundin, das überreizte System der betroffenen Person zu beruhigen. In diesem Moment lernt das Gehirn der Betroffenen: Es ist sicher, mich zu öffnen und Hilfe zuzulassen.
#11 Über die Selbstregulation
Das ist nichts, was wir aktiv tun können – sie passiert von selbst, wenn die richtigen Bedingungen gegeben sind. In der Regel müssen wir uns dafür sicher genug fühlen. Ist das der Fall, setzt die Regulation automatisch ein.
Wenn jemand in seiner Kindheit nicht genug Co-Regulation erlebt hat, konnten sich die dafür nötigen Nervenbahnen möglicherweise nicht so stark entwickeln. Aber auch andere Faktoren können dazu führen, dass es Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen schwerfällt, sich in stressigen oder belastenden Situationen selbst zu beruhigen.
Doch wir müssen uns regulieren. Wenn die natürliche Regulation nicht gut funktioniert, sucht es sich alternative Wege, um mit Stress umzugehen.
Diese alternativen Regulationsstrategien können ganz unterschiedlich sein. Manche übernehmen sie von ihren Bezugspersonen, andere entwickeln sie selbst – oder der Körper findet eigene Wege. Beispiele dafür sind: Rauchen, Alkohol, Drogen, Essen, exzessiver Sport oder selbstverletzendes Verhalten wie Haare ausreißen, sich kratzen oder ritzen.
Das Besondere an diesen Strategien ist, dass sie oft notwendig erscheinen – wenn sie nicht ausgeführt werden, fühlt sich die Person schlecht. Ein Glas Wein kann zum Beispiel einfach ein Genussmittel sein, aber auch als eine Form der Beruhigung dienen.
#12 Strategien zur Stärkung des Selbstwertgefühls
Menschen, die Bindungstraumata erlebt haben, kämpfen oft mit einem niedrigen Selbstwertgefühl. Diese Verletzungen können mit gezielten Methoden geheilt werden, die auf emotionaler Sicherheit, Selbstannahme und dem Sammeln neuer positiver Erfahrungen aufbauen.
Im Folgenden sind fünf wirksame Ansätze aufgeführt:
1. Sich selbst mit Mitgefühl begegnen
Warum das hilft:
Bindungstraumata führen oft zu einem kritischen inneren Dialog und Selbstverurteilung. Selbstmitgefühl unterbricht diesen Kreislauf und schafft Raum für Heilung des Traumas.Wie das geht:
Übe, mit Dir selbst zu sprechen, wie Du mit einem geliebten Menschen sprechen würdest. Schreibe z. B. einen liebevollen Brief an Dich selbst oder sage dir immer wieder „Alles was ich fühle, wie ich denke oder wie ich handle, hat einen guten Grund und ergibt Sinn, auch wenn ich es heute vielleicht noch nicht verstehe“
2. Positive Beziehungen aufbauen
Warum das hilft:
Sichere, stützende Beziehungen bieten ein Gegenmittel zu den Erfahrungen von Unsicherheit und Ablehnung. Sie schaffen ein neues Fundament für Vertrauen und Selbstwert.Wie das geht:
Suche nach Menschen, die Dich akzeptieren und bestärken. Beginne in kleinen Schritten, Dich in Beziehungen authentisch zu zeigen. Eine unterstützende Begleiterin oder Begleiter kann hier ebenfalls wertvoll sein.
3. Erfolge sichtbar machen
Warum das hilft:
Oft werden Stärken und Erfolge übersehen. Sich diese bewusst zu machen, stärkt den Selbstwert.Wie das geht:
Führe ein Erfolgstagebuch, in dem Du jeden Tag kleine und große Erfolge festhältst. Selbst alltägliche Dinge wie „Ich habe heute für mich gesorgt“ sind wichtige Schritte.
4. Körperbewusstsein fördern
Warum das hilft:
Trauma kann dazu führen, dass man den Zugang zum eigenen Körper verliert. Ein positiveres Körperbewusstsein stärkt das Gefühl, präsent und sicher zu sein.Wie das geht:
Probiere sanfte Bewegungspraktiken wie Yoga, Atemübungen oder achtsames Gehen. Diese helfen, wieder in Verbindung mit Deinem Körper zu treten und ein Gefühl von Selbstkontrolle und Stärke zu entwickeln.
5. klare Grenzen setzen und Bedürfnisse wahrnehmen
Warum das hilft:
Oft werden die eigenen Bedürfnisse ignoriert und Grenzen verwischt. Sich selbst ernst zu nehmen, stärkt den Selbstwert.Wie das geht:
Lerne, Deine Bedürfnisse zu erkennen und in kleinen Schritten mit Menschen zu kommunizieren, denen du vertraust. Übe, freundlich, aber bestimmt Nein zu sagen, wenn Dir etwas nicht guttut.
#13 Bindungstrauma heilen -
Warum sich der Weg der Traumaheilung lohnt
Der Weg der Traumaheilung ist eine Reise zu dir selbst – eine Möglichkeit, alte Wunden liebevoll zu betrachten und ihnen Schritt für Schritt ihre Macht zu nehmen. Heilung bedeutet nicht, Vergangenes zu vergessen, sondern es so zu integrieren, dass es dich nicht mehr bestimmt.
Es ist ein mutiger Schritt, sich mit tiefen Verletzungen und eigenen Traumas auseinanderzusetzen. Doch dieser Weg lohnt sich, weil er dir die Chance gibt, wieder mit deiner inneren Stärke und Lebensfreude in Verbindung zu kommen. Er öffnet Türen zu einem Leben, in dem du dich authentisch zeigen und tiefere, erfüllendere Beziehungen aufbauen kannst.
Traumaheilung schenkt dir mehr Leichtigkeit und Frieden. Du lernst, liebevoller mit dir selbst umzugehen, innere Blockaden zu lösen und den Blick nach vorne zu richten. Es ist eine Einladung, dein Leben bewusst neu zu gestalten – mit mehr Vertrauen, Mut und Hoffnung.
Auch wenn es anfangs herausfordernd erscheinen mag, ist es ein Weg, der dich mit jedem Schritt näher zu deinem wahren, kraftvollen Selbst führt.
Wenn du bereit bist, diesen Weg weiterzugehen oder noch mehr über diese Themen erfahren möchtest, schau dir gerne meine weiteren Blogpost an oder vereinbare ein kostenloses Kennenlerngespräch mit mir.
Gemeinsam können wir dein Licht zum Strahlen bringen!