🪷 Was du über dich gelernt hast, ist nicht die Wahrheit über dich 

Blog Entwicklungstrauma

Ein paar Gedanken über Entwicklungstrauma - und dem Selbstbild,
was sich daraus entwickelt kann

Ich erinnere mich an diesen Moment aus meiner Kindheit, und das war nur einer von vielen.
Ich war vielleicht zwölf. Ich saß auf dem Bett, ich war traurig weil ich einen Streit mit meiner Freundin hatte, und meine Mutter sagte nur:
„Du übertreibst wieder. Immer dieses Drama mit dir.“

Damals habe ich nicht verstanden, was das mit mir gemacht hat. Ich habe einfach geschluckt, genickt, mich zurückgezogen.

Und irgendwann habe ich dann angefangen zu glauben:
„Ich bin zu viel.“
„Ich bin falsch.“
„Ich bin das Problem.“

Jahrzehnte später sitzen Menschen vor mir – in Sitzungen  – und sagen fast dieselben Sätze:
„Ich nehme mich immer zurück.“
„Ich weiß oft nicht, wer ich wirklich bin.“
„Ich denke ich bin irgendwie falsch.“

Und mein Herz wird ganz still, denn ich weiß, wie es sich anfühlt, das über sich zu glauben.
Und ich weiß:
Das ist nicht die Wahrheit über Dich. ♡

 
 

Entwicklungstrauma verstehen -
was wir über uns glauben, und was davon nicht stimmt

Als Kinder glauben wir alles, was uns von unseren Bezugspersonen gesagt wird.
Nicht, weil wir naiv sind – sondern weil wir es müssen.
Unsere Eltern sind unser ganzes Universum. Sie sind unsere ersten Spiegel. Unsere Orientierung.
Was sie über uns sagen, wird zu unserem inneren Kompass.

„Du bist zu sensibel.“
„Mit dir ist immer irgendwas.“
„Reiß dich zusammen.“

Ein Kind kann nicht sagen:
„Moment mal, das ist nur die Geschichte meiner Eltern – das bin gar nicht ich. Ich fühle mich von meiner Bezugsperson nicht verstanden.“

Ein Kind kann nicht differenzieren. Es denkt:
„Wenn Mama sagt, ich bin zu viel – dann bin ich wohl zu viel.“

Und so webt sich langsam ein unsichtbares Netz aus Selbstbildern in unser Inneres.
Ein gravierendes Netz aus Sätzen, Blicken, Bewertungen.
Nicht laut, nicht dramatisch – aber stetig und schwerwiegend.

Und das nennen wir Entwicklungstrauma.

Nicht, weil ein einziges schlimmes Ereignis alles verändert hat.
Sondern weil es immer so war.
Weil wir nie anders erfahren haben, wie sich echte Sicherheit, liebevoller Blick oder ein ehrliches „Du bist okay so“ anfühlen kann.


Ein Moment zum Innehalten

Vielleicht magst du dir kurz Zeit nehmen und kurz zurückdenken:
Gab es einen Satz, einen Blick oder ein Verhalten, das sich tief in dich eingeprägt hat?
Etwas, das du über dich in deiner frühen Kindheit gelernt hast – das sich heute noch in dir meldet, wenn du dich zeigst, wenn du Nähe brauchst, wenn du dich unsicher fühlst?

Du musst nichts tun. Nur spüren.
Vielleicht reicht es schon, diesen Satz heute das erste Mal zu hinterfragen.


Wie sich ein Bindungstrauma oder Entwicklungstrauma in dein Leben einschreibt

Vor einiger Zeit saß eine Klientin bei mir.
Sie ist Mitte fünfzig, klug, reflektiert, warmherzig – aber in sich drin oft ganz klein.
Wir sprachen über eine Situation, in der sie sich nicht getraut hatte, ihre Meinung zu sagen.
Und dann kam dieser eine Satz über ihre Lippen:
„Ich will niemandem zur Last fallen.“

Und als wir ein wenig tiefer gingen, erinnerte sie sich:
Als Kind hatte sie oft gehört, sie solle „nicht so empfindlich“ sein.
Sie habe „immer was“.
Sie solle sich „ein Beispiel an den anderen nehmen“.

Dieser eine Satz – „Ich will niemandem zur Last fallen“
war nichts, was sie sich bewusst ausgesucht hatte. Keine Störung ihrer Wahrnehmung.
Es war ein Schutzsatz.
Ein Überlebenssatz.

Denn was wir über uns glauben, formt nicht nur unser Selbstbild.
Es bestimmt unser ganzes Leben.

Schutzmuster bei Entwicklungstraumata -
du hast nichts falsch gemacht

Wenn wir verletzt werden – nicht körperlich, sondern emotional – dann beginnt unser System zu arbeiten.
Es entwickelt Muster. Schutzstrategien. Wege, wie wir uns irgendwie sicher fühlen können.

Vielleicht hast du gelernt, still zu sein.
Vielleicht hast du gelernt, dich perfekt zu verhalten.
Vielleicht hast du dich zurückgezogen.

Diese Muster sind nicht falsch.
Sie waren sinnvoll.
Oft waren sie überlebenswichtig.

Niemand sagt einem Kind:
„Du wirst später unter deinen traumatischen Erfahrungen leiden, aber gerade jetzt brauchst du dieses Verhalten, um durchzukommen.“

Und doch ist es genau so.

Wir passen uns an – so gut wir können.
Wir werden vorsichtig, freundlich, hilfsbereit – manchmal bis zur Selbstaufgabe.
Und irgendwann sind diese Muster so vertraut, dass wir glauben:
„So bin ich eben.“

Das ist zwar deine eigene Geschichte, aber: Das bist du nicht.
Das ist, was du gelernt hast, um dich irgendwie etwas sicher zu fühlen.

Warum frühe Verletzungen so tief wirken

Das ist auch der Grund, warum es oft so schwer ist, wirklich etwas zu verändern, unser Trauma hinter uns zu lassen.
Nicht, weil wir uns nicht anstrengen.
Nicht, weil wir zu schwach oder „noch nicht so weit“ sind.
Sondern weil diese Muster, dieses Trauma, tief in unserem Nervensystem verankert sind.
Sie sind in uns eingebrannt – durch Wiederholung, durch Angst, durch Erfahrung.

Entwicklungstrauma oder Bindungstraumata ist nicht ein einzelnes Ereignis und schon gar nicht eine Persönlichkeitsstörung.

Es ist ein ständiges Gefühl, nicht sicher zu sein. Nicht gesehen. Nicht ernst genommen.

Und wenn sich ein Kind immer wieder so fühlt, dann speichert sich das ab – im Körper, in der Psyche, im ganzen System - ein Trauma entsteht.

Später, im Erwachsenenalter, verstehen wir vielleicht längst, was passiert ist.
Aber wir fühlen es noch immer.

Deshalb reicht reines Verstehen nicht.
Deshalb funktioniert kein "Denk einfach anders".
Der Körper erinnert sich – selbst dann, wenn der Verstand längst weiter ist.

Der Weg zu einer gesunden Entwicklung beginnt mit Selbstbegegnung

Vielleicht spürst du, dass das alles nicht nur Gedanken sind.
Dass die Sätze, die du über dich glaubst, keine bloßen Worte im Kopf sind, sondern etwas viel Tieferes.

Etwas, das sich in deinem Körper zeigt. In deinem Nervensystem.
In der Art, wie du dich in Beziehungen erlebst, wie du reagierst, wie du dich schützt, wie deine Selbstregulierung funktioniert.

Denn genau dort liegt der Schlüssel: unter dem Schutz liegt der Schmerz.
Und unter dem Schmerz liegt die Wahrheit.
Nicht die Wahrheit über dich – sondern deine eigene Wahrheit.

Innere Anteile -
Wenn innere Stimmen sprechen dürfen, kann Traumaheilung beginnen

In meiner Arbeit begleite ich Menschen auf diesem Weg zurück zu sich selbst.

Wir arbeiten mit den inneren Anteilen, die heute noch aktiv sind:
das angepasste Kind, das stille Kind, das wütende Kind, das überforderte Ich.
Jeder Anteil hat seine Geschichte. Und jeder Anteil hat einen guten Grund.

„Du bist nicht falsch – du hast gelernt, dich zu schützen.“

Durch die achtsame Arbeit mit diesen inneren Stimmen entsteht eine ganz neue Begegnung mit dir selbst.
Plötzlich wird sichtbar, woher deine Muster kommen, warum du immer wieder gleich reagierst.
Du erkennst: „Das war damals überlebenswichtig.“
Und du spürst: „Heute darf ich etwas anderes wählen.“

Diese Arbeit führt dich nicht um den Schmerz herum – sie führt dich genau dorthin, wo er gesehen werden möchte.

Aber: Du bist nicht allein. Und du gehst nur so weit, wie es sicher ist.

Denn in der Tiefe liegt keine Bedrohung – dort liegt das Kind, das nichts falsch gemacht hat.
Das nur eines gebraucht hätte: Verständnis. Schutz. Halt und Liebe.

 

🌿 Bist du neugierig, was innere Anteile überhaupt sind?
Wie sie entstanden sind, welche Anteile es überhaupt gibt und wie wir mit ihnen arbeiten können? Dann lies hier meinen Blogartikel dazu. Super spannend, finde ich.

 

Selbstregulation des Nervensystems - Psychotherapie darf neu gedacht werden

Veränderung beginnt nicht kognitiv, also im Kopf.
Sie beginnt im Körper.

Wenn dein Nervensystem lernt, sich zu regulieren – also von Anspannung zu Ruhe zu finden – dann entsteht der Raum, in dem du dich überhaupt spüren kannst.

Wenn du dich Innerhalb deines Window of Tolerance befindest.
Erst dann ist Heilung möglich.
Erst dann wird Begegnung möglich – mit dir selbst, mit deinen Gefühlen, mit deiner Geschichte, ohne dich zu überfordern.

Deshalb verbinde ich in meiner Arbeit beides:
Innere Anteilearbeit und Körperarbeit für das Nervensystem.
Denn nur so entsteht echte, nachhaltige Veränderung.

Wenn du magst ...

… begleite ich dich gern auf diesem Weg.
Du brauchst kein Vorwissen, keine „perfekte“ Sprache für deine Gefühle.
Nur die Bereitschaft, dich selbst behutsam wieder zu entdecken.

Hier findest du mehr über mein Angebot und wie du mit mir arbeiten kannst.

Zum Schluss -
Trotz seelischer Verletzungen, du darfst dir glauben

Vielleicht warst du dein Leben lang damit beschäftigt, zu funktionieren.
Dich zu verstecken. Es allen recht zu machen.

Vielleicht hast du irgendwann sogar angefangen, dich selbst zu vergessen.

Aber:
Du darfst dich erinnern.
Du darfst dir glauben.
Du darfst jetzt an deiner Seite stehen – so, wie es damals niemand getan hat.

Nicht, weil du perfekt bist.
Sondern weil du Mensch bist.
Und weil du genau richtig bist, so wie du jetzt gerade hier sitzt und diesen Text liest.

Danke für deine Aufmerksamkeit ♡

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Dysregulation des Nervensystems: Wenn dein inneres Alarmsystem nie wirklich zur Ruhe kommt