Beziehung mit einem Narzissten: Lerne die verschiedenen Arten von Narzissmus kennen und erfahre, wie du die ersten Schritte aus einer narzisstischen Partnerschaft machst.

Beziehung mit Narzissten

Hand aufs Herz:
Wenn du das Wort "Narzisst" hörst, hast du sofort ein klares Bild im Kopf, oder?
Wahrscheinlich denkst du an jemanden, der super laut ist, sich für den Größten hält und jeden in den Schatten stellen will. So ein richtiger Angeber eben.

Aber was, wenn ich dir sage, dass das nur die halbe Miete ist?

Es gibt da nämlich noch ein zweites Gesicht – eines, das total leise, unsicher und fast schon überempfindlich wirkt. Und genau das ist oft viel schwieriger zu erkennen und sorgt für mindestens genauso viel Chaos in Beziehungen.

Klingt komisch?

Lass uns mal schauen, was Narzissmus wirklich bedeutet, abseits der Klischees.

 
 

Was steckt wirklich hinter dem Begriff "Narzissmus"?

Viele denken, Narzissten lieben sich selbst einfach zu sehr.

Aber das ist ein Riesen-Irrtum.

Im Kern ist es genau umgekehrt:
Ihr Selbstwertgefühl ist total niedrig. Es ist brüchig oder gar nicht erst richtig da.

Stell dir das vor wie ein Fass ohne Boden. Sie brauchen ständig Bestätigung von außen – Komplimente, Bewunderung, Aufmerksamkeit – nur um sich überhaupt "okay" zu fühlen.

Echte, stabile Selbstliebe? Fehlanzeige.

Es ist eine endlose Jagd, um eine innere Leere zu füllen, weil sie es von innen heraus nicht können.

Aber wenn das so ist, warum wirken dann manche von ihnen so unglaublich selbstsicher und andere überhaupt nicht?

 
die zwei Gesichter des Narzissmus
 

Typ 1: Warum ist der "laute Angeber" so offensichtlich?

Das ist der "Klassiker", den wir alle kennen.

Der laute, grandiose Typ. Er ist der Star seiner eigenen Show und lässt dich das auch bei jeder Gelegenheit spüren.

Er hält sich für was Besseres, erwartet, dass alle nach seiner Pfeife tanzen und findet sich einfach genial. Kritik? Gibt's nicht. Wenn was schiefgeht, sind immer die anderen schuld.

Mitgefühl? Sucht man bei ihm oft vergeblich. Er nutzt Menschen aus und Manipulation ist seine Waffe, um seine Ziele zu erreichen, und er dominiert jedes Gespräch.

In Beziehungen ist das oft eine Achterbahnfahrt:
Erst wirst du auf ein Podest gehoben, er ist sehr charmant (das nennt man "Love Bombing") und dann fallengelassen oder kleingemacht, sobald du nicht mehr genug Bewunderung lieferst.

Ziemlich anstrengend, oder? Aber jetzt wird's spannend: Was ist mit dem genauen Gegenteil?

 

Typ 2: Das leise Leiden des "verdeckten" Narzissten

Dieser Typ ist viel schwerer zu erkennen.

Man nennt ihn den vulnerablen (also verletzlichen) oder verdeckten Narzissten.

Von außen wirkt er vielleicht total schüchtern, super sensibel oder sogar extrem hilfsbereit.
Er stellt sich nicht ins Rampenlicht. Stattdessen nutzt er andere Waffen: die Opferrolle.
Er leidet oft leise vor sich hin und gibt dir das Gefühl, dass du schuld bist oder dass die ganze Welt gegen ihn ist.

Auf Kritik reagiert er nicht mit Wut, sondern bricht innerlich zusammen oder zieht sich schmollend zurück. Das nennt man passiv-aggressiv: Statt offen zu sagen, was los ist, lässt er dich durch Schweigen oder Sticheleien spüren, dass du was falsch gemacht hast.

Im Inneren fühlt er sich aber genauso "besonders" wie der laute Typ – er sieht sich als "verkanntes Genie", das niemand versteht, traut sich aber aus Angst vor Ablehnung nicht, das offen zu zeigen.

Mit so jemandem zusammen zu sein, ist unglaublich anstrengend. Man hat ständig das Gefühl, auf Eierschalen zu laufen, um die nächste Kränkung zu vermeiden.

Aber Moment mal... Wenn die einen laut und die anderen leise sind, was haben die beiden dann überhaupt gemeinsam?

 

Laut oder leise:
Sind das nicht zwei völlig verschiedene Dinge?

Gute Frage!

Auf den ersten Blick wirken sie wie Tag und Nacht.

Aber stell dir vor, es sind zwei Seiten derselben Medaille.

Der Kern des Problems ist bei beiden gleich:
ein kaputtes Selbstwertgefühl und die ständige Sucht nach "Futter" von außen.

Der Unterschied liegt nur in ihrer Strategie:

  • Der laute (grandiose) Typ verfolgt eine "Angriffs-Strategie":
    Er sucht aktiv die Bühne und die Bewunderung, um sich gut zu fühlen.

  • Der leise (vulnerable) Typ verfolgt eine "Vermeidungs-Strategie":
    Er versucht krampfhaft, Kritik und Ablehnung zu vermeiden, um sein ohnehin schon wackeliges Selbstbild zu schützen.

Beide halten sich insgeheim für was Besseres, beiden fehlt echtes Mitgefühl und beide brauchen andere Menschen, um ihre innere Leere zu füllen.

Der Laute kann übrigens auch "leise" werden, wenn er mal so richtig scheitert und seine Fassade zusammenbricht.

Man fragt sich unweigerlich: Wie wird man eigentlich so?

 

Wie entsteht eine narzisstische Persönlichkeit eigentlich? Ein Blick in die Kindheit

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung entsteht, laut aktueller Forschung, vor allem in der Kindheit.

Es gibt zwei Hauptideen, wie das Ganze anfängt:

  1. Die "Kleine Götter"-Theorie:
    Stell dir Eltern vor, die ihr Kind auf ein Podest heben. "Du bist so viel besser als alle anderen!", "Du bist was ganz Besonderes!" Das Kind lernt: Ich bin super, alle anderen sind unwichtig.

  2. Die "Vernachlässigte Küken"-Theorie:
    Hier ist es das Gegenteil. Das Kind bekommt zu wenig echte Wärme und Anerkennung, erfährt Entwertung von seinen Bezugspersonen. Um dieses Gefühl der Wertlosigkeit auszuhalten, baut es eine Fantasie-Welt auf, in der es großartig ist.

Was ist es denn nun?

Eine große Studie hat gezeigt, dass die "Kleine Götter"-Theorie (also das ständige Über-den-Klee-loben ohne echte Wärme) Narzissmus stark fördert.

Aber am Ende ist das Problem in beiden Fällen ähnlich:
Das Kind wird nicht für das geliebt, was es wirklich ist. Es lernt, dass es sich Liebe "verdienen" muss, indem es großartig ist (oder zumindest so tut), anstatt einfach so geliebt zu werden, wie es ist.

Das erklärt also, wie es entsteht. Aber wie wirkt sich das ganz konkret auf das engste Umfeld aus, zum Beispiel in einer Partnerschaft?

 

Und wie sieht das Ganze in einer Beziehung aus?
Was macht eine Beziehung mit einem Narzissten oft so unglaublich anstrengend?

Genau hier wird es oft am schmerzhaftesten, denn in einer Beziehung suchen beide Typen am intensivsten nach ihrem "Futter".

Der laute Angeber ist anfangs oft der absolute Traumtyp als Partner.
Er überschüttet dich mit Komplimenten und großen Gesten (das nennt man "Love Bombing"), damit du dich wie der Mittelpunkt des Universums fühlst.
Sobald er dich aber "sicher" hat, kippt das Spiel. Plötzlich geht es nur noch um ihn.

Ein Beispiel:
Du erzählst stolz von einem Erfolg im Job. Statt sich mit dir zu freuen, unterbricht er dich: "Ja, super. Aber weißt du, was mir heute passiert ist..." Er wertet dich ab, um selbst besser dazustehen, und erwartet, dass sich dein Leben nur um seine Bedürfnisse dreht.

Der leise Leidende Partner ist viel subtiler, aber genauso anstrengend.
Er kontrolliert dich über Schuldgefühle und die ewige Opferrolle. 

Das Beispiel hier:
Du möchtest abends mal alleine mit Freunden weggehen. Seine Reaktion ist keine Wut, sondern ein tiefer Seufzer: "Ach, geh ruhig. Ich bleib halt allein, macht ja nichts. Ist schon okay, dass niemand an mich denkt, ich bin es ja gewohnt." Bumm. Du hast sofort ein schlechtes Gewissen und bleibst lieber zu Hause.

Wenn dir so etwas bekannt vorkommt, ist der wichtigste Schritt das Erkennen:
Du kannst deinen Partner nicht "heilen".

Der einzige Ausweg ist oft, ganz klare Grenzen zu ziehen und dich selbst zu schützen.

Aber wie schafft man das, wenn man emotional schon so tief drinsteckt?

 

Dein Rettungsboot ist dein eigener Selbstwert:
So kommst du aus der Beziehung mit Narzissten raus - erste Schritte in Richtung Trennung

Das ist die schwerste, aber auch die wichtigste Übung.

Wenn du emotional tief drinsteckst, fühlt es sich oft an, als wärst du mitschuldig oder als könntest du deinen Partner "retten", wenn du dich nur genug anstrengst. Der erste Schritt ist, diese bittere Pille zu schlucken: Du kannst sie nicht ändern.

Hör auf, ihr Verhalten zu entschuldigen ("Dein Partner hatte eine schwere Kindheit") oder auf den "guten" Menschen zu warten, den du am Anfang kennengelernt hast. Das war die Falle, nicht die Realität.

Der Schlüssel ist, ihnen das "Futter" zu entziehen. Hör auf, in das Fass ohne Boden zu werfen.
Das machst du mit zwei Dingen:

  1. Werde zum "Grauen Fels" (Grey Rock):
    Narzissten brauchen deine Reaktion – deine Wut, deine Tränen, deine Bewunderung. Gib ihnen nichts davon. Wenn sie provozieren, antworte langweilig, kurz und sachlich. "Okay." "Aha." "Ich muss los." Sei so uninteressant wie ein grauer Kieselstein. Wenn es kein Drama mehr gibt, verlieren sie das Interesse.

  2. Bau dir dein eigenes Leben (zurück):
    Sie isolieren dich oft von Freunden oder Hobbys. Hol dir das zurück! Triff dich (heimlich, wenn es sein muss) mit Leuten, die dir guttun. Fang wieder mit dem Sport an. Konzentriere dich auf deinen Job. Jeder Schritt, den du für dich tust, gibt dir Kraft und macht dich unabhängiger.

Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon. Und du musst ihn nicht allein laufen.

Sprich mit Freunden, denen du vertraust, oder such dir professionelle Hilfe.
Der wichtigste Mensch, den du jetzt retten musst, bist du selbst.

Aber wenn man es geschafft hat, sich von einem narzisstischen Partner zu lösen – wie stellt man sicher, dass man nicht sofort wieder in die nächste Falle tappt und endlich heilen kann?

 

Raus aus dem Kreislauf:
Wie du dein "Narzissten-Radar" einschaltest um nicht wieder in eine toxische Beziehung zu geraten

Das ist eine super wichtige Frage.

Oft ist es nämlich kein Zufall, dass man an so jemanden gerät.

Menschen, die besonders hilfsbereit, verständnisvoll und konfliktscheu sind – sogenannte "People Pleaser" – sind wie ein Magnet für Narzissten. Sie sind das perfekte Publikum, das immer gibt und nichts verlangt.

Deshalb ist der wichtigste Schritt nach der Trennung: Schau auf dich selbst.
Frag dich: Warum habe ich das so lange mitgemacht? Wo habe ich meine eigenen Bedürfnisse ignoriert, nur um den Frieden zu wahren?

Heilung bedeutet hier, das eigene Selbstwertgefühl wieder aufzubauen, das in der Beziehung systematisch kleingemacht wurde. Lerne wieder, auf dein Bauchgefühl zu hören. Wenn dir etwas komisch vorkommt, dann ist es das meistens auch!

Für die Zukunft kannst du dir ein paar klare "Rote Flaggen" merken:

  • Geht alles viel zu schnell?
    Überschüttet dich jemand nach drei Dates schon mit Liebeserklärungen und plant die gemeinsame Zukunft ("Love Bombing")? Vorsicht!

  • Wie spricht er/sie über Ex-Partner?
    Sind immer die anderen schuld, "verrückt" oder "gestört" gewesen? Hör genau hin.

  • Wie reagiert er/sie auf ein "Nein"?
    Akzeptiert er/sie deine Grenzen oder versucht er/sie, dich zu überreden, dir ein schlechtes Gewissen zu machen oder wird er/sie sogar sauer?

Lerne, dass ein "Nein" von dir ein vollständiger Satz ist, den du nicht rechtfertigen musst.
Das ist der beste Schutz, um nicht wieder in so eine Dynamik zu geraten.

Das ist jetzt alles viel über den Umgang mit ihnen und den Weg hinaus.

Aber eine Frage bleibt noch offen: Können sich Narzissten eigentlich auch selbst ändern?

 

Die Millionen-Euro-Frage:
Können Narzissten sich wirklich ändern und eine gesunde Beziehung führen?

Das ist die wohl schwierigste Frage von allen, und die ehrliche Antwort ist:
Es ist extrem schwer, aber nicht völlig unmöglich.

Das Hauptproblem ist:
Den meisten fehlt die Einsicht, dass sie das Problem sind.

Besonders der laute (grandiose) Typwird fast nie freiwillig Hilfe suchen. Warum auch?
In seiner Welt sind ja alle anderen falsch, nur er ist perfekt. Eine Veränderung passiert bei ihm meist nur, wenn er komplett auf die Nase fällt – wenn der Job weg ist, die Familie bricht und er alles verliert, was ihm Bestätigung gegeben hat.

Beim leisen (vulnerablen) Typ ist die Chance ein kleines bisschen größer. Warum? Weil er leidet.

Er ist oft depressiv, ängstlich und unzufrieden. Dieses eigene Leiden (der "Leidensdruck") kann der Auslöser sein, sich doch Hilfe zu suchen.

Aber selbst dann ist es ein brutal harter Weg. Es erfordert, dass die Person aufhört, anderen die Schuld zu geben, sich der eigenen inneren Leere stellt und lernt, was Mitgefühl wirklich bedeutet. Das geht fast nie ohne lange, intensive Therapie.

Es gibt diese Ausnahmen – Geschichten von Menschen, die es durch Selbstarbeit geschafft haben. Sie zeigen, dass Veränderung möglich ist. Für die meisten Menschen, die mit einem Narzissten zu tun haben, gilt aber leider: Hoffe nicht darauf, dass du der Grund für seine Veränderung sein wirst.

Was ist also das Wichtigste, das wir aus diesen beiden Gesichtern des Narzissmus lernen können, für uns selbst und für unsere Beziehungen?

 

Was wir daraus für uns selbst mitnehmen können

Das Wichtigste, was wir aus dieser ganzen Reise lernen können, ist vielleicht gar nicht so sehr, wie andere ticken, sondern wie wir selbst besser auf uns aufpassen.

Wir wissen jetzt:
Narzissmus hat nicht nur das laute, arrogante Gesicht, sondern auch ein leises, verletzliches und oft manipulatives. Allein das schärft unseren Blick ungemein für Menschen, die uns nicht guttun.

Selbstwertgefühl

Die allerwichtigste Erkenntnis ist aber die:

Der beste Schutz gegen narzisstischen Missbrauch ist ein starkes, eigenes Selbstwertgefühl.

Wenn du deinen eigenen Wert kennst – und zwar unabhängig davon, ob dir jemand applaudiert oder dich bemitleidet – wirst du für solche Dynamiken uninteressant.

Du hörst auf dein Bauchgefühl, wenn sich etwas falsch anfühlt.

Du setzt gesunde Grenzen und verteidigst sie, ohne dich schuldig zu fühlen.

Und du verstehst, dass echte Liebe und Freundschaft immer auf Gegenseitigkeit beruhen und dich niemals dazu zwingen, dich selbst zu verlieren, nur damit der andere sich besser fühlen kann.


Fühlst du dich in diesen Mustern wiedererkannt?

Das Aufarbeiten einer solch kräftezehrenden Beziehung ist schwer und rührt oft an tiefe, alte Wunden. Wenn du bereit bist, diese Verletzungen wirklich zu heilen und dein Selbstwertgefühl von Grund auf neu aufzubauen, unterstütze ich dich gern mit meinem traumasensiblen Coaching.

Hier findest du meine Angebote. 🌿

Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit!


Ich bin Nicole,
zertifizierter Coach für NI Neurosystemische Integration® ganzheitlich integrative Traumaarbeit

Ich begleite Menschen, die ihr Leben lang funktioniert und sich angepasst haben. Jetzt suchen sie eine Veränderung.

Sie wirken nach außen stark, sind innerlich aber am Rande der Erschöpfung.

Ich helfe ihnen, den Kreislauf aus Anpassung, Schuldgefühlen und Selbstzweifeln zu verlassen.

So finden sie den inneren Frieden, den sie sich schon lange wünschen.

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